10.Dez.–Gedreht und nicht geschüttelt

1_101204-uaz-m-schraglage Den mongolischen Altai im Winter zu fahren ist hart.
Viele Pisten sind komplett unter dem Schnee verschwunden. Keine Fahrspuren zu sehen.
Und wenn dann mal Fahrspuren die Orientierung erleichtern, dann sind sie nicht zu benutzen, weil metertief voll Schnee geweht.

Ich steige oftmals aus, um zu Fuss herauszufinden, welcher Weg der beste ist. Ich muss unbedingt solche gefährlichen Schräglagen wieder bei diesem UAZ vermeiden. Oder schiebe ich nur übertriebene Panik ?

2_101204-minus-29 Das Thermometer fällt weiter. Dank der Standheizung kann ich morgens den Motor vorwärmen. Eine Stunde braucht der Berg aus VollMetall, um aus dem Tiefkühlbereich auf Null Grad “warm” zu werden.

Die Koffertüre klebe ich ab, zuviel eisiger Wind drückt auf die Türdichtung.

Meine Wasseranlage funktioniert einwandfrei. Wie gut, dass alle Tanks zusätzlich eine Heizschleife der Heizung abbekommen haben.

3_101210-dreher-eisplatte 10 Tage Zeit für 5.000 Kilometer, quer durch Sibirien. Das TransitVisum der Russen gibt nicht mehr her.
Ich stell mir den Wecker, denn ich will und muss mit dem ersten Tageslicht schon unterwegs sein.

Immer wieder Vereisungen auf der Strasse. Komprimierter Schnee wird bei -20° zur Eisplatte. Ein kleines Problem, wenn eine Radseite noch Asphalt findet. Ein grosses Problem wenn aber das Eis über die ganze Breite geht. Dann heisst es Ruhe bewahren.
Zwischen Tjumen, Celjabinsk und Ufa kommst ganz dick, das sind immerhin 1.500 Strassenkilometer = 3,5 Fahrtage.

4_101210-dreher-t Zweimal rutscht mir das Heck beim Überholen zur Seite weg, aber ich kanns wieder einfangen.
Kurz hinter Celjabinsk, in einer leichten Kurve bricht dann das ganze Fahrzeug aus. Tempo 45, ich war schon auf der Hut.
Ich dreh mich um die eigene Achse und rutsche die Böschung hinunter. Wie versteinert warte ich auf das was passiert. Jetzt bloss kein Umkippen…
Im tiefen Schnee komme ich in leichter Schräglage zum Stehen. Mein Glück: die Böschung ist hier nur einen Meter hoch.
Mit einigen Anläufen und allen Sperren komme ich so gerade wieder auf die Strasse zurück
5_101213-weggerutscht-sattels2 Andere haben da weniger Glück und hängen unglücklich neben der Strasse.
Ich sehe in den nächsten drei Tagen mindestens 20 frische Abdreher.
Die Spuren im Schnee zeugen von vielen Dutzenden von Ausrutschern seit dem letzten Schneefall.
Das ist nicht so einfach,
im Winter durch Sibirien.

15.Dez.–Mein Russland

100727-haus-fenster-am-baikal Auf dieser Tour war ich rund einen Monat in Russland unterwegs.
Bis zum Baikalsee, rauf in den Norden bis nach Tomsk. Und durch den russischen Altai.
Ich bin stundenlang durch Ölfelder gefahren (nördlich Ufa).
Einmal rund, und einmal mitten durch Moskau.
Letztes Jahr hab ich die autonome und buddhistisch geprägte Provinz Kalmücken besucht
und war auf der Krim.

Da verfestigen sich ein paar Gedankengänge.

100729-shopping-center-im-bau Russland hat zusammen mit den USA ein grosses Stück Weltgeschichte geschrieben. Supermacht hat man Russland genannt.
Und heute?
Die autonomen Provinzen haben ihre Selbstständigkeit besser nutzen können als die Nichtautonomen.

Grosse Bauprojekte sucht man flächendeckend im Land vergeblich. Und der Bestand verfällt in hohem Tempo. Die Grundversorgung mit Schulen und Krankenhäusern ist gut, hat sich aber in den letzten 20 Jahren auch nicht verbessern können.

100729-am-gaenseseee Das Strassennetz, Rückgrat jeder Landesentwicklung,
(weiss jeder seit ‘Sim City’)
befindet sich in einem trostlosen Zustand. Eine Instandhaltung findet nicht statt.
Noch zwei, drei Jahre, dann schlägt sich das wesentlich erhöhte Transportrisiko auf die Preise und auch auf die Versorgung der entlegenen Landesteile durch.
101212-olpumpe Russland ist sehr reich an Bodenschätzen.
Öl und Gas werden einfach hochgepumpt und verkauft.
Die betroffenen Provinzen profitieren augenscheinlich nicht davon. Auch hier keine besonderen Entwicklungsprojekte.

Der ganze Ertrag fliesst offenbar ohne den geringsten Abzug direkt nach Moskau.

101214-moskauer-dampf Das ist dann wohl auch der einzige Grund, weshalb Moskau inzwischen die teuerste Stadt der Welt ist.
Nicht weil es besonders attraktiv ist, sondern weil hier Geld im Überfluss gesammelt und ausgegeben wird. Das macht einfach die Preise kaputt.
Aber auch hier wird nicht in Zukunft investiert.
Wahrzeichen Moskaus sind heute die Kondensfahnen der Kraftwerke inmitten der Stadt.

20.Dez.–Back on the Block

Es und ich ist gelaufen.
Ich bin wieder zurück.
In Aachen, meiner Geburtsstadt.
Meine Heimat? Da hab ich jetzt wieder ne sehr gute Gelegenheit das herauszufinden.

Die letzten Tage gingen flüssig.
Ausreise aus Russland ”
just-in-TransitVisaTime”,
Einreise ins EU-Land mit ner klitzekleinen Attacke auf meine Geldbörse und dem Dauerstreit: bin ich nun LKW und hab viiieeel Zeit = rechte Abfertigungsspur
oder bin ich nur ein zu gross geratener Touri = linke Spur.
Attacke Abgewehrt.

101211-uebernachtung
Lettland, Litauen, Polen, die Rastplätze werden mondäner, die Strassen besser.
Die letzten knapp 1.000 Kilometer durch Deutschland dann auf fastchinesischAsphalt.

Schnee? Klar, lag herum, war aber wenig,
für mich.
Die Deutschen proben gerad das Chaos. Gelingt ihnen auch zunehmend besser. Mir nicht.
Nicht nach Mongolei, Sibirien, Tibet.

Man wird zufriedener
wenn man unterwegs ist/war. Das ist sehr schön, tut gut.

101216-dauvnepils-littauen
7000 Liter Diesel,
zu durchschnittlich 68 ct,
35.000 Kilometer,
90 Tage gefahren, 90 Tage nicht gefahren,
105 Tage allein in China gewesen,
5.300m mein höchster Pass,
10 Kg belgischen Kaffee gebraucht,
2x die eigene Waschmaschine ausgepackt,
6.000 Photos geschaffen,
kein Öl nachgefüllt,
keine Luft nachgepumpt,

und sowieso keine einzige Reifenpanne gehabt, (und das wundert mich mit am allermeisten….)

101211-doppelhaus
der BaikalSee (Sibirien),
der Namtso Lake (Tibet),
der Quinghai Lake (China),
ein namenloser Badesee in Daqi,
das ostchinesische Meer,
der Ruwok See (Tibet, Bild),
die Wolga,
die Lena,
der Yangste
der Gelbe Fluss….
100820-ruwei-see-tibet
Am Sonntag bin ich dann direkt in fast kompletter Familie gelandet.

Nur eine fehlte, nanu…

Schwester Inge trudelte kurz nach mir in unsere Kaiserstadt  ein. In Shanghai hatten wir uns das letzte mal gesehen…,

und jetzt hab ich sie vom Bahnhof mit dem Gelben abgeholt.
Aus Bangalore/Indien schwebte sie ein,
was eine RumTreiberFamilie…..

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