Flucht aus Tibet

Unsere Mitreisenden sind an ihrem Ziel, in Lhasa.
Am 17.Aug gehts zum Flughafen und die Truppe entschwindet.
Ein Teil noch mit Abstecher nach Shanghai, die anderen direkt nach Deutschland zurück.

Und wir, Heike und ich?

Na wir wollten ja weiter zum Kailash,
nach Nepal/Indien und so weiter.
Aber hier in Lhasa ist plötzlich alles ganz anders.
Die Reiseagentur hält uns die umfangreichen Papiere vor die Nase, und da steht eindeutig drinne, dass wir ebenfalls genau heute (!) aus Tibet ausfliegen müssen.

Was steht da ?

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Wir haben nichtmal gebuchte Flüge, und überhaupt nicht vor jetzt wegzufliegen.
Die Agentur ist hartnäckig, und meint, sie bekäme grosse Probleme, wenn wir hier bleiben würden.

Viele, sehr viele verschiedene Modelle diskutieren wir durch, und es bleibt uns wohl nur ein Kompromiss übrig:
Wir müssen mit dem Gelben so schnell es geht aus Tibet raus, und zwar nach Osten!

Die anderen drei Fahrzeuge reisen aus China nach Hongkong aus, ganz nach Plan, und das gilt für den Gelben eben auch: ein Papier, ein Weg, für alle!

Na wenn der Apfel nicht sauer schmeckt.

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Mürrisch fahren wir am 17.Aug los. Nach Osten.

Vorneweg ein Jeep der Agentur mit zwei Guides. Und in unserem Fahrzeug “Pang”, auch ein Guide aus Peking.

Den Tag gehts durchs wunderschöne Kongpu-Tal, immer parallel zu einem reissenden Fluss. Auf bester Strasse in Höhen zwischen 5.000 und 4.000 Metern.

Wir staunen über die sehr vielen Radfahrer, die uns entgegen kommen. Gerade die Strecke von Chengdu nach Lhasa muss im Lande wohl berühmt sein.
12 Tage brauchen die Cracks für die 2.000 Kilometer. Dabei machen die Höhenmeter wohl die Herausforderung aus.

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Wir kommen gut voran, erfreuen uns der grandiosen Landschaft, bis wir abends in Bayi jäh von der Polizei gestoppt werden.

Sie wollen die Papiere sehen,
und sehen sofort rot!
Heike und ich dürfen nicht mehr hier unterwegs sein.
Wenn wir es versäumt haben ab Lhasa zu fliegen, dann eben jetzt hier ab Bayi.
Wir dürfen noch gerade die 150m zum einzigen internationalen Hotel um die Ecke fahren, und Schluss ist. Weiter-Fahrverbot.

Am nächsten Morgen soll der AgenturGuide die gekauften Flugtickets vorzeigen kommen.

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Das ist garnicht so einfach. Zunächst muss Mr.Zhang erstmal ne Erlaubnis einholen um für Ausländer Tickets kaufen zu dürfen. Dauert rund 2h und kostet etwas.
Gegen Mittag versucht er dann Flugtickets zu kaufen, aber das geht auch mit Geld nicht: die nächsten 10 Tage sind alle Flüge nach Chengdu ausgebucht.
Erste Klasse geht noch, 600 Euro, aber das ist ihm zuviel, und wir beteiligen uns an diesen Fluchtkosten auch nicht.
Was jetzt ?
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Wieder stundenlange Diskussionen, Abmachungen und Verwerfungen.

Dann der Plan:
Wir fahren alle weiter mit dem Gelben gen Osten. Heike und ich müssen hinten im Koffer verschwinden. Wenn Polizei oder Militär in den Koffer schauen will, dann gibt es drei Klopfzeichen und verschwinden kurz ins Bad.
Ob wir damit einverstanden sind ?
Naja, in Bayi wollen wir nicht bleiben,
und zusammen mit dem Gelben weiter kommen ?

Wir willigen ein.

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Flucht aus Tibet II

100821-gsl-am-fenster Nach einem Tag Verhandlungspause in Bayi geht es weiter. Heike und ich dürfen jetzt im Koffer sitzen. Ein Gefühl wie im GlacierExpress.

Ein Fremder fährt den Gelben.
Ich hab gut zu tun mich daran zu gewöhnen.
Mr.Zhan schaltet erheblich zu früh, wie alle Chinesen,
und wenns es bergab geht, kuppelt er aus, und ackert mit den Trommelbremsen bis das sie Stinken.
Ich werde es ihm trotz vieler und anschaulicher Unterrichts- einheiten in den Pausen auch nicht mehr abgewöhnen können. Chinese eben.

100821-serpentinen Die Landschaft ist jetzt völlig abgedreht. Wir machen fast mehr Höhenmeter als Meter voraus.

Die schmale Schotterpiste liegt im dauernden Wettstreit mit den reissenden Flüssen:
Mal ist die Strasse gut gesichert mit grossen Steinblöcken im Vorteil.
Ein anderes Mal hat der Fluss die Zähne gezeigt und Teile der Strasse weggerissen.
Im Prinzip fahren wir eine 350 Km lange Einbahnstrasse. Allerdings weiss der Gegenverkehr davon nix. Gottseidank gibt es sehr wenig davon.

100821-bergstrasse Mr.Zhan findet LKW fahren anstrengend.
Er hat zwar auch schon in seinem Leben acht Jahre ReiseBus gefahren, aber er dachte er wäre jetzt eigentlich
etwas besseres.
Wenn also freie Luft draussen ist, also keine Militär- oder Polizeikontrollen erwartet werden, dann darf ich auch nochmal ans Lenkrad,

welche Wohltat, welcher Blick.

10082-gegenverkehr Die Strasse ist extrem schlecht, das Tempo drei volle Tage unter 20 km/h.
Der Gelbe springt trotzdem ohne Ende, und an einer Stelle passiert die Katastrophe.

Ich bin gerad am Steuer,
übersehe eine tiefe Querrille,
der Gelbe fliegt regelrecht ab,
und im selben Moment schreit Heike hinten aus dem Koffer.
Sie blutet.

100822-auge-2 Heike ist regelrecht an die Decke geflogen und hat sich eine Platzwunde neben neben dem Auge zugezogen.
Ihre Kamera ist durch den Koffer geschossen,
das Display zerstört.
Auweija.

Das ist nochmal ein Grund mehr,
dass wir uns über den Reiseverlauf ärgern.
Aber ändern können wir es nicht.
So gut es geht versuchen wir die Wunde zu tapen, soll ja kein markantes, neues Kennzeichen werden.
In den nächsten Tagen schillert Heike jedenfalls in allen Farben.

Out of Tibet

100820-drei-kinder1 Die FahrTage ziehen sich.
Tibet kann gross werden, wenn man mit Mühe 160 Km in 10 Netto-Fahrstunden weiter kommt.

Aber Tibet kann sich auch grossartig zeigen.
Die Menschen sind es allemal.
Überall sehen wir diese neugierigen grossen Augen, die sich aufgeschlossen aber vorsichtig nähern.

100820-felsstrasse Zwischen Bayi und Markam, für diese 700 km brauche wir drei heftige Tage.
Sie führen durch grandiose Landschaft, aber richtig geniessen wird man die erst in drei bis fünf Jahren können.
Die Chinesen wollen endlich mal ne dauerhafte Lösung herbeiführen, und bauen die kompletten 700Km gleichzeitig neu.
Tausende Arbeiter sind entlang der Strasse beschäftigt und wohnen auch in Zelten direkt daneben.

Das neue Nomadentum in unserer Zeit.

100821-roter-fluss Die grosse Brücke über den roten Fluss ist schliesslich das sichtbare Zeichen:
Wir sind raus aus Tibet.
Jetzt ist Schluss mit dem Versteckspielen.
Unser Guide ist erleichert,
wir sind erleichtert.
100822-guides-heike-gsl Aber wir sind auch betrübt.
So hatten wir uns die TibetReise nicht vorgestellt. Anyway, wir kommen wieder.

Unser Ziel heisst weiter Hongkong, da muss der Gelbe laut Permit aus China ausreisen.

Heike überlegt allerdings mit dem Rucksack gleich wieder zurückzukehren, nach Tibet.